Am 18. März 1612 wurde „Herr Marx Sittich, Graf zu der Hohen Embs und Gallerate,” Dompropst zu Konstanz und Salzburg, in Gegenwart des päpstlichen Gesandten Antonio de Diaz, vom Domkapitel des Erzstifts Salzburg mit „ordentlich fürübergangner Wahl einhelliglich” zum Erzbischof und Landesfürsten erwählt. Es war dies der zweite Sonntag in der Fastenzeit, auch Reminiscere genannt.
Die Gestaltung einer Fasnacht im Sinne des jüngst gekürten Landesherrn konnte somit sich erst im nächsten Jahr voll entfalten. Vorrangig galt den „christlich eifrigen Potentaten und Oberkeiten”, die „heidnischen und abergläubischen, uralten Bräuche und schandwürdigen Gewohnheiten”, gegen die allenthalben die Prediger von den Kanzeln herab „schrieen und tobten, gänzlich auszureuten und zu vertilgen” und an deren Stelle „ehrliche, christgebührende Freudenfeste” zuzulassen. In der erzbischöflichen Hauptstadt war die Situation nicht anders: Auch hier veranstalteten die Bürger „von unerdenklichen Zeiten hero” zu Tag- und Nachtzeit, aus der Sicht des Fürsten, nichts anderes als Mummereien, die gewöhnlich mit Hin- und Herlaufen begannen und dann in Fressen und Saufen, Spielen oder gar in heimlichen Unanständigkeiten, somit in „Sünde, Schand und Laster” endeten. Was die Herrschenden vor allem bei diesem Vermummen fürchteten, war die Anonymität der Person durch die Maskierung.
Hier gilt wiederum, dass Eingriffe der Obrigkeit in althergebrachte Gewohnheiten keine Langzeitwirkung erzielen: Die von Marcus Sitticus kreierte Fasnachtgestaltung war am Ende des Jahrhunderts wieder in ein „Fraß- und Sauf-Fest” gemündet, „zum viehischen Bauch- und Götzen-Fest, zum lästerlichen Lumpen- und Venus-Fest, zum verfluchten Teufel-Fest, das Unsere liebe Mutter, die katholische Kirch, hat als Plunder-Fest allzeit verflucht und verbannisiert,” verkommen. Dies entnehmen wir jedenfalls einer Klage des Salzburger Stadtkaplans von 1696.
Viele Elemente der Salzburger Fasnacht finden sich in Festen an anderen (mitteleuropäischen und italienischen) Höfen vorgebildet. Von der frühen Neuzeit an waren an den europäischen Höfen bei familiären oder politischen Ereignissen prachtvoll ausgestattete Spiele veranstaltet worden. Sie verbanden festliche Selbstdarstellung mit der Beschwörung standesgemäßer Tugenden und dokumentierten zugleich die Bedeutung und den Anspruch des jeweiligen Herrschers bzw. seines Hauses.
Die Spiele wurden später bereichert durch aufwendige Kostümierungen, durch Verkleidung in allegorische Figuren und Einbeziehung von Tieren, Personifikationen umrahmen das Turniergeschehen, Gestalten der Mythologie in vielfältigem Kostüm- und Maskenprunk. Das lebende Bild war im Italien des 16. Jahrhunderts zu einem wichtigen Element des höfischen Festes geworden. Es ist für die Turniere und Feste der Renaissance bezeichnend, dass die höfische Gesellschaft gleichzeitig Zuschauer und Akteure bildete. Anders als an den weltlichen Höfen, nahm in Salzburg der (geistliche) Fürst Marcus Sitticus nie aktiv an einem Umzug teil, er ließ sich durch seinen Neffen vertreten, den er sozusagen an Sohnes statt an den Salzburger Hof geholt hatte.
Der Hang zur Darstellung von Macht und Bildung führte dazu, Publikationen mit Besch (oft) mehrtägigen Spiele. Zudem regten die gedruckt verbreiteten Festbeschreibungen zur Nachahmung an anderen Höfen an, sodass sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts in Deutschland ein Standard entwickelte.
Es entsprach fürstlicher Ruhmsucht, dass diese Aufwendungen nicht mit dem Fest endeten, sondern in einem gedruckten Bericht fortlebten. Vielleicht haben die aufziehenden Ereignisse und der überraschende Tod des Erzbischofs ein solches Vorhaben unterbunden. Stainhausers Chronik für die Regierungsjahre von Fürsterzbischof Marcus Sitticus (1612–1619) hätte jedenfalls als Vorarbeit zu einem Festdiarium für eine gedruckte zusammenfassende Darstellung dienen können.
Solch eine Vorlage besorgte sich z.B. der Stadtrat. Laut Kammer-Raittung vom 5. April 1614 bezahlte der Stadtkämmerer Georg Alt 2 fl 6 ß 12 d „dem Augsburger Boten für Peter Zimmermann, Kupferstecher zu Augsburg, wegen er Gemeiner Stadt die Hochzeit des Pfalzgrafen zu Neuburg mit dem fürstlichen Freilein aus Bayern, so zu München gehalten worden, in Kupferstich hat praesentiert.” Wilhelm Peter Zimmermann war Radierer, Zeichner und Kupferstichverleger in Augsburg, dort nachweisbar seit 1589. Seine zahlreichen Blätter haben zeitgeschichtliches Interesse, darunter eine neun Blatt umfassende Folge mit den Feierlichkeiten der Vermählung des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm zu Neuburg mit der Herzogin Magdalena von Bayern im Jahre 1613.
Ohne Zweifel erforderten solche Spiele einen großen Aufwand an Vorbereitungen. Zur Herstellung und Pflege der ephemeren Holz-/Leinwand-Konstruktionen, der Wagen und Schlitten, von Requisiten und Kostümen wurde anderswo eine Inventionskammer unterhalten und eigene Schneider beschäftigt. Für Salzburg fehlen uns Nachrichten darüber.
Fest und Theater haben in der Familie Tradition: Erinnert sei an die prunkvolle Festgestaltung anlässlich der Hochzeit des Jakob Hannibal I. von Hohenems (1530–1587), dem Neffen des damals regierenden Papstes Pius IV., mit Hortensia Borromeo (1551–1578) im Fasching 1565 zu Rom. In dem etwa seit 1580 bestehenden „Teatro Goldoni” im Palazzo Altemps hat 1607 und im Karneval 1611 Gian Angelo (1586–1620), Enkel nach Kardinal d'Altemps (1533–1595), dem Onkel von Marcus Sitticus, Theateraufführungen veranstaltet, wie Rechnungen für Theaterkostüme und - ausstattung erweisen.
Durch den Einbezug der Bürger als Darsteller ihrer schon früher geübten Bräuche, jetzt zwar beaufsichtigt durch die fürstliche Programmgestaltung, baute Marcus Sitticus die Brücke zwischen Volksbelustigung und fürstlicher Festkultur und machte diese Fasnacht zum einmaligen Ereignis in seiner Zeit.
1613 bekamen die Salzburger zum ersten Mal solch „fröhliche Kurzweilen und zulässige Aufzüge” vorgeführt: Die Hofherrn, Adel und Hofgesind Dero HFG, ihrem Stand, Beruf und Officio [Amt] gemäß, „erzeigten sich in unterschiedlichen, schönen Mascharatten und Aufzügen”. Der Bürgerschaft, gekleidet in der „Livrea der Copireiterei”, wie sie im Vorjahr zum Einzug des Fürsten angeschafft worden war, wurde gnädigst erlaubt, bei guter Winterbahn in den Gassen der Stadt im Schlitten herumzufahren. In späteren Jahren kamen da etwa 50 Rennschlitten zusammen, Ross und Gefährt waren wohl herausgeputzt. Voran fuhren in einem vierspännigen großen Schlitten vier Trompeter, die in der ganzen Stadt „aufbliesen”. Ratsherrn und Bürgerschaft hatten an ihrer Seite teils ihre „Hausfrauen”, teils ihre oder die Töchter anderer Bürger sitzen. Etwa um 7 Uhr abends traf man sich hernach im Gasthaus zur Goldenen Krone [Getreidegasse 14], wo ein Nachtmahl eingenommen und zuletzt ein Tanz veranstaltet wurde. (Die Kosten für die Trompeter wie das Nachtmahl in der Höhe von 119 Gulden wurden später mit der Stadtkasse abgerechnet!)
Das Eingangsgebet (Introitus) der Messe des 1. Fastensonntags (6. Sonntag vor Ostern) beginnt mit dem Wort Invocabit (Stainhauser u.a. schreiben fälschlich: „Invocavit”). Das Ende der Fasnachtszeit liegt (heute) auf dem Dienstag nach dem 6. Sonntag vor Ostern, der Beginn der Fastenzeit auf dem darauffolgenden Mittwoch, dem Aschermittwoch. Als die Synode von Benevent (1291) die Sonntage in der Fastenzeit als Gedächtnistage der Auferstehung Jesu vom Fasten ausnahm, verschob sich die Fastenzeit um eine Woche nach vorne. Die Fasnacht endet(e) seitdem am Dienstag nach dem 7. Sonntag vor Ostern (Estomihi).
Jene, die die Fasnacht nach der alten Fastenordnung feiern, begehen die „Alte Fasnacht”, die aber bereits in die Fastenzeit fällt. Zum Unterschied von der „Alten Fasnacht” wurde der der neuen Fastenordnung entsprechende letzte Sonntag der Vorfastenzeit „Herrenfasnacht” genannt. Diese Neuordnung konnte sich nicht überall gegen die ältere Tradition durchsetzen. Die Alte Fasnacht war oft auch eine protestantische Demonstration gegen die „katholische” Fastenzeit. (Erinnert sei: in Teilen der Schweiz hält man auch heute an einer Fasnachtszeit fest, die noch währt, wenn anderswo bereits die Fastenzeit angebrochen ist.)
Mit seinem Mandat „Wegen des Fleischessens zu verbotenen Zeiten” vom 5. Dezember 1612 hatte Marcus Sitticus daran erinnert, dass alle, die gegen das vierzigtägige Fasten verstößen, sich den geistlichen Seelentod erkauften und den Tempel des Heiligen Geistes zu einem Lasterhaus des Teufels und einer Mördergrube verwandelten.
Die Salzburger Metzger(knechte) waren bei der "alten" Fasnacht verblieben, die sich bei ihnen vom Fasnachtsonntag bis zum Montag in der Fastenzeit erstreckte. Noch 1613 wurde praktiziert, dass diejenigen Metzgerknechte, die unter dem Jahr gegen die Handwerksordnung verstoßen hatten, am „äscherigen Mittwoch” nach der Zahl ihrer „Verbrechen” folgender Maßen „abgestraft” wurden: Von ihrem Wirtshaus aus, auch Herberge genannt, die „enthalb der Brucken” lag, somit am rechten Brückenkopf (Platzl?) situiert war, wurde einer nach dem andern, auf das Beste „herfürgeputzt”, auf einer Stange reitend, von der Menge auf den „gemeinen Markt” (Alten Markt) getragen. Dem „Geschwarm” voraus zogen das Spiel von Pfeifen und Trommeln und ein Schalksnarr. Die Gesellen selbst, die bereits „blindvoll” [sternhagelvoll] waren, schrien und jauchzten auf dem Weg dorthin. Beim Florianibrunnen angekommen, tanzten sie auf dem Brunnenrand herum, immer in Lebensgefahr, da sie während dieses Balanceaktes mehrmals einen starken Trunk süßen Weins zu sich nahmen. (Dies befürchtete jedenfalls der Chronist Stainhauser, der die „Abstellung” [Abschaffung = Verbot] dieses Privilegs durch seinen Brotherrn befürwortete.) Dann sprang einer nach dem anderen tatsächlich in den Brunnen. Diesem Spektakel wohnte regelmäßig eine unglaubliche Anzahl an Zuschauern bei. Allein die Ausländer und „rechtkatholischen” Christen hätten Anstoß an „solch schöner Kurzweil an einem so heiligen Tag” genommen.
Diese „tollen und vollen” Metzgerknechte erregten auch weiterhin Ärgernis, denn den Rest der Woche hindurch pflegten sie öffentlich Fleischsulzen zu verzehren. Am Samstag hatten sie zudem den Brauch, die „ärgerlichen” Sünden aus der Fasnacht mit einem allgemeinen Bad „abzuwaschen” und stellten dabei zwischendurch nackt auf der freien Gasse einen Tanz an. Dergleichen lasterhafte Ungebühr und strafwürdige Unzucht sei von keinem andern Ort bekannt, hob der Chronist hervor. Nach diesem Bad fing „der Luder” [sündliche Wohlleben] mit Spielen, Fressen und Saufen wiederum an, währte die ganze Woche hindurch und was da an allerlei Liederlichkeit versäumt worden war, wurde am Sonntag Invocabit hereingebracht, nicht allein wiederum mit Füllerei [Schwelgerei] und Spielen, sondern zusätzlich durch einen öffentlichen Tanz, zu dem sich eine leichtfertige Schar beiderlei Geschlechts zusammenfand. Dieser Tanz begann bereits am Tag und währte die ganze Nacht hindurch: Welche Ungebührlichkeiten hier vorgefallen wären, sei leicht zu erachten. Erst mit dem Einbinden der ausgesteckten Metzgerfahne am Montag hatte das „Schlemmen und Temmen” [Füllen und Saufen] ein Ende. Manch einer unter den Metzgerknechten mag wohl den sauer verdienten Jahreslohn in diesen acht bis zehn Tagen durchgebracht haben. Die Reue über die ausgeleerten Säcke erfolgte wohl erst in der Fastenzeit, die nun auch für sie angebrochen war.
Als „wachtsamer Hirt seiner lieben Schäflein” wollte Marcus Sitticus solche „Sünd, Schand und Laster, Mißbrauch und Ärgernis” nicht länger dulden. Den bei ihm vorstelligen, auf ihrer fasnachtlichen Freiheit pochenden Metzgerknechten, die sich auf die sagenhafte Überlieferung beriefen, dass Leonhard von Keutschach 1512 wegen ihrer besonderen Treue den Metzgern dieses Privileg zugestanden habe, antwortete der Fürst, er dächte keineswegs daran, solch uralten Brauch aufzuheben, doch habe das Brunnentragen in Zukunft an den beiden letzten Tagen der Fasnacht zu erfolgen. (Heutige Forschung bewertet diese Begründung als Wandersage, da auch in anderen Städten die Metzger ihre privilegierten Festbräuche mit solch weit zurückliegenden Ereignissen rechtfertigten.)
Eingestellt werden mussten auch die Komödien und Bauernspiele der beiden Lateinschulen, der des Domes und von St. Peter, die erst, alter Gewohnheit nach, am ersten Sonntag (und Montag) in der Fastenzeit die (Alte) Fasnacht für die Zuhörer beiderlei Geschlechts mit Musiken und Fasnachtpossen beschlossen. (Der Stadtkämmerer stellte aber die regelmäßig den Schulmeistern „wegen der Comoedia alten Gebrauch nach” gewährte Zuwendung in der Höhe von je 3 Gulden erst 1614 bzw. 1615 ein.)
Seit 1614 gingen der „echten” [= richtigen, eigentlichen] Fasnacht, d.h. der Woche vor Aschermittwoch, immer theatralische Aktivitäten voraus. Im Salzburg des Marcus Sitticus fanden die ersten Opernaufführungen außerhalb Italiens statt, in Szene gesetzt auf dem Hoftheater, das der Fürst am 27. Jänner 1614 eröffnen konnte. Seine engen Beziehungen zum Hause Gonzaga in Mantua dürften diese sehr frühe Blütezeit der Oper in Salzburg ermöglicht haben. Als Aufführungsort bietet sich der auch später als Theater verwendete Carabinierisaal an.
Als hier aufgeführte musikdramatische Werke werden uns vom Chronisten Stainhauser die Titel „Orfeo”, „Sta. Christina” und „Andromeda” genannt. Sogar am Freitag vor Estomihi, an dem, als Gedächtnistag an den Tod Jesu, keine fasnachtlichen „Passatempi” und „Mascheratte” stattfinden sollten, veranstaltete der Fürst regelmäßig solche Opern- und Theateraufführungen. Seine Vorliebe für diese Novitäten ließ es da zu, dass z.B. die Uraufführung der S. Christina am 4. März 1615, einem Aschermittwoch, stattfand. Und 1617, in jenem Jahr, in dem alle „fasnachtlichen und andere weltliche Freudenfeste und Saitenspiele [Musik mit Instrumenten] wegen tödlichen Abgangs von Herrn Wolf Dietrichen, gewesten Erzbischofen zu Salzburg [am 16. Jänner]”, auf landesfürstlichen Befehl ausgesetzt werden mussten, gab es trotzdem am Fasnachtsonntag für den Stadtrat eine Aufführung der „Actio in Musica” Andromeda und am Dienstag darauf auf dem Hofplatz eine „lustige” Hatz, bei der ein wilder Stier und ein Bär aufeinander losgelassen wurden.
Zu Beginn des Jahres 1619, als die Kriegsfackel bereits über ein halbes Jahr in Böhmen brannte, bestieg der Fürst selbst die Kanzel, um seinen geliebten Salzburgern die gefahrvollen Zeiten darzulegen, die er ihnen mit einer Predigt über den Untergang Ninives drastisch vor Augen führte. Zugleich wurde im ganzen Lande Vierzigstündiges Gebet angeordnet. An die Stelle der diesmal völlig eingestellten Fasnachtsunterhaltungen (und auch der Aufführungen auf der Hofbühne) traten die „Fürstellungen der fünf Sinne des Menschen”, jeweils dargeboten an den Freitagen der Fastenzeit. Im selben Jahr kam der Tod zuerst (13. März) zur Anna Sidonia von Hohenems, einer geborenen Herzogin von Teschen und Großglogau, und dann zum Erzbischof selbst (9. Oktober).
Geradezu väterliche Fürsorge entwickelte der zum Fürsten eines geistlichen Reichsterritoriums aufgestiegene Marx Sittich von Hohenems für den 1595 geborenen Neffen Jakob Hannibal, der von ihm bereits kurz nach dem Einritt in der Haupt- und Residenzstadt in den Hofdienst aufgenommen worden sein dürfte. Für ihn entwickelte der Reichsfürst bald Heiratsprojekte, dessen eines im Herbst 1616 zur Eheschließung mit der Tochter des Herzogs von Teschen führte. Auf der vom Onkel finanzierten Bildungsreise hatte der Grafensohn aus Hohenems italienische Kultur kennen gelernt. In Salzburg sollte er zum Hauptträger der dem Fürsten so wichtigen Festumzüge zur Fasnachtzeit werden. Nach der Verbannung des leichtfertigen Ehepaares Jakob Hannibal und Anna Sidonia nach Hohenems, durfte der Neffe so rechtzeitig zurückkehren, dass die Fasnacht 1618, die letzte in Friedenszeiten und zugleich zu Lebzeiten des Fürsten, zum Höhepunkt dieser fürstlichen Festgestaltung werden konnte: Es hat für den Nachgeborenen geradezu den Anschein, als ob Gestalter und all die Teilnehmer dieser Fasnacht, nachdem im Vorjahr (1617), wie gesagt, ausgesetzt werden musste, zum unüberbietbaren Höhepunkt hatten treiben wollen.
Wie die Jahre zuvor waren Ablauf und Ordnung „zu guter Nachrichtigung” aller öffentlich verkündet worden. Zu diesem Zwecke wurden etwa 800 Zettel unter die Zuschauer geworfen. (Angemerkt sei, dass sich von diesen Einblattdrucken kein einziges Exemplar erhalten hat.) Bereits diese Ankündigung wurde als „solennische Intimation” gestaltet.
Die Rolle der Verkünder hatten die Hofherrn allein übernommen. Auf dreißig Pferden, voran drei Trompeter, ritten sie, in Mascherakleidern, durch die Gassen der Stadt. Nebenher liefen ihre Lakeien. Auf einer Kalesche sitzend, die von sechs Pferden gezogen wurde, führten sie Bacchus im Zug mit. Der Weingott hatte ein großes volles Weinglas in Händen, ebenso sein Leibjunge, der vor ihm saß. Auf dem Haupt trug er einen Kranz aus Rebenlaub, daran hübsch „formierte” [geformte] Weintrauben hingen. Aus einem mitgeführten Fass wurde Wein ausgeschenkt. Als der Aufzug den Platz vor der Residenz mehrmals umzogen hatte, wurde der Beginn der Fasnacht, nach gewohnter Art, mit einem Sechszeiler verkündet, der auch in gedruckter Form an die Zuschauer verteilt wurde.
“Wir lassen uns darum hier finden,
euch die Fasnacht heut zu verkünden,
daß ihr mögt gehen in Mummereien,
in allem ehrlichem Lust erfreuen:
All Freud und Kurzweil fangen an und damit kommen auf den Plan.”
Zwischendurch war ein „lächerliches” [lustiges] Bauernspiel gegeben worden.
Die Woche zuvor waren täglich die bereits bekannten Belustigungen veranstaltet worden: Schlittenfahrten der Hofbediensteten und Bürger, sowie Aufführungen auf der Hofbühne vor geladenen Gästen. Es bestand hiefür der fürstliche Wunsch, dass jede Schlittenpartie, ehe sie sich zum Hof begebe, wenigstens zweimal den Platz vor der Residenz umziehen sollte, damit das Volk sie zu bestaunen bekäme.
Am Sonntag „vor dem rechten Anfang der Fasnacht” war zudem, nach der Vesper, von 25 Laufenern auf dem Hofplatz ein Schwerttanz, von anderen eine so genannte Fechtschule veranstaltet worden. (Im 16. Jahrhundert waren Schwerttänze in ganz Mitteleuropa verbreitet. Erst allmählich beginnen sich jetzt ihre Vorführungen von der Fasnacht zu lösen. Überregionale Bekanntheit erlangte der Schwerttanz des bis 1539 veranstalteten Nürnberger Schembartlaufs. Schaufechten, d.h. die Vorführung der in besonderer Schulung erworbenen Kunst des Fechtens, wurde meist mit Rapier und Dolch ausgeführt.) Zuletzt führten auf zwei Schlitten der fe. Jägermeister und seine Jäger unter Trommelspiel vom Marktplatz aus durch die ganze Stadt zwei große Wölfe, die bei Grödig, da sie großen Schaden angestellt hatten, gefangen worden waren.
In diesem Jahr (1618) beteiligte sich der Stadtrat zum ersten Mal mit einem eigenen Aufzug, „zu gehorsamsten Ehren IHFG”. In ihrer Verkleidung gaben sie sich als venezianische Senatoren aus, der Stadtsyndicus stellte den Dogen in seiner Kleidung zu den hohen Festtagen dar: Er hatte einen scharlachroten weiten Mantel mit Hermelinkragen (il bàvero d'ermellini) umgeworfen und auf dem Kopf den gekrümmten Herzogshut, genannt Il corno del Doge. Sie alle saßen in einer Galeere, die Knaben, als Sträflinge verkleidet, scheinbar mit Ruder fortbewegten. Tatsächlich aber wurde sie als Viergespann von wie Meerrösser ausstaffierten Schimmeln gezogen, die ein Neptun mit seinem Dreizack lenkte. Zuoberst im Mastbaum saß ein in den Landesfarben gekleideter Knabe, während die Segel das Wappen des Landesfürsten, einen Steinbock in Gold auf blauem Grund, zeigten. Das Ruderschiff war auch mit etlichen „Stücklein” [kleinen Kanonen] versehen, die dann auf dem Hofplatz, unmittelbar unter dem Fürstenzimmer, abgeschossen wurden. Der Stadtrat begab sich alsbald geschlossen zum Fürsten und überreichte ihm „zur Mummschanz” [d.h. als mit der so genannten Schanz (Glückswurf) im Würfelspiel fiktiv gewonnenen Preis] ein aus Elfenbein gefertigtes Trinkgeschirr in einem vergoldeten Futteral, darauf ein aus Holz geschnitzter kleiner Steinbock stand. Als Gegengeschenk reichte ihnen der Fürst einen so genannten Ehrenpfennig im Wert von fünf Dukaten, mit seinem Bildnis, Wappen und Wahlspruch [„Qui fundastis protegite”: „Ihr, (heiliger Rupertus und heiliger Virgil), die ihr uns gegründet habt, beschützt uns weiterhin.”] (Der Stadtkämmerer hatte dem Syndicus die angefallenen Kosten in der Höhe von 205 Gulden für Galeere und Fastnachtskleider ebenso aus der Stadtkasse zu ersetzen, wie die 11 Gulden für das Trinkgeschirr.)
Den darauf folgenden Dienstag, den 20. Februar 1618, eröffnete der Neffe des Fürsten zusammen mit seiner Ehefrau Anna Sidonia. An der Spitze des Aufzugs ritten, wie immer, mehrere Trompeter. Als Kostümierung waren „indianische Livreen” gewählt worden: Die Begleitung trug auf dem Kopf ein „Krönl” mit gefärbten Federn, wie auch Mantel und Schurz aus solchen Federn verfertigt waren, in den Händen hielt sie Kugeln, die mit „Mondschein und Federn” besteckt waren. Um die Füße waren Schellen (Sonagliere) gebunden. (Schellen waren schon lange das Erkennungszeichen der Narren.) Der junge Graf ritt auf einem stattlichen Ross und stellte einen König dar. Auch er war auf „indianische Manier” bekleidet: Der Übermantel war aus mit Goldfäden durchwirktem Brokat gefertigt, der „indianische Bund” auf dem Kopf mit Kleinodien und aus Taft hergestellten, herabhängenden Federn verziert, an den Armen trug er mit Perlen bestickte Armbänder, in der Hand ein Szepter. Die ihn begleitenden Lakeien, die den langen königlichen Mantel zu beiden Seiten des Pferdes in Händen hielten, gaben sich, mit Schurz, Brustschild, Federn auf den Häuptern und Kolben über den Achseln, den Zuschauern ebenfalls als „Indianer” zu erkennen.
Die junge Gräfin Anna Sidonia fuhr in einem Wagen und gab vor, eine „indianische Königin” zu sein: Auch ihre Kleidung war reichlich ausgestattet, das Haar hatte sie offen, Arme und Brustausschnitt waren unbedeckt. Ihre weibliche Begleitung hatte, um die „indianische Manier” zu verdeutlichen, kleine Pfeile in Händen. Zum Beschluss dieses Aufzugs kam eine Kutsche mit acht Cavallieri, die mit leichtem Helm, dem so genannten Morion, Schild und Schwert ausgestattet waren. Nachdem sie den Hofplatz dreimal umzogen hatten, sprangen sie vom Wagen und veranstalteten, nach dem L'arma Schlag [Ankündigung des Waffengangs], eine Battaglia [Schaukampf].
Schon in früheren Jahren (1614 und 1616) hatte der welsche [italienische] Tanzmeister Santino Ventura mit den Edelknaben eine solche Battaglia in Szene gesetzt. Dabei waren alle auf Moreskenart in weiße, mit Blumenwerk [Zierat von Blumen] bemalte Leinwand gekleidet worden. Die drei größeren der Knaben hatten Haare, Gesicht und Arme schwarz gefärbt. Um die Knie hatten sie alle Schellenbänder gebunden und in den Händen hielten sie, wie zum Fechten ausgerichtet, Rappier und Dolch. So ausgestattet, veranstalteten sie auf dem Hofplatz, direkt unter dem Fenster des Fürsten, einen Moriskentanz, in wohl abgestimmten Figuren. (Die Morisken-, Mohren- und Bauerntänze waren keine Handwerkstänze, sondern Modetänze des 15. und 16. Jahrhunderts, die vor allem während der Fasnacht aufgeführt wurden.)
Als nächste zeigten die Kammerdiener ihre „Invention”, die von vier in so genannten Zannikostümen [Narrenkleidung] gesteckten Fagottisten einbegleitet wurde. Obwohl sie vorgeblich in „möhrischer” [maurischer] Maskierung aufzogen, trugen sie in ihrer Mitte eine Sänfte, in der, unter einem stattlichen Baldachin, ein „junger König aus Amerika” saß. Das Präsent für den Fürsten bestand aus einem Sieb, das gefüllt war mit „Pomeranzen [Orangen], Lemoni und Citroni”, die mit Wasser frisch gehalten wurden.
Der „Küchenpartei” war in diesem Jahr nicht mehr eingefallen, als ihre Hosen und das Wams mit Stroh zu verbrämen, die Kappen mit Flindergold in den Farben blau und gelb zu schmücken. Ihre Unkosten waren dem Aufwand entsprechend „schlecht” [gering] geblieben, da dem Fürsten – recht einfallos – einzig ein „weißer Steinbock” überreicht wurde. (Diese Aufmachung gemahnt daran, dass Flinder [Metallblättchen] – etwa bei den Ausseer Trommelweibern – auch heute noch als Material für fasnachtliche Kostümierung Verwendung finden.)
Dem Kellermeister und seinen „Zugetanenen” [Bediensteten] lief ein „gescheckter” Narr [Arlecchino?] in den (hohenemsischen) Farben gelb und blau voraus. Sie selbst gaben sich als Hafner aus und waren nach Art der Handwerkszünfte recht altväterisch gekleidet. Auf einem Esel wurden zwei kleine Truhen mitgeführt, gefüllt mit irdenem Trinkgeschirr. Dieses Geschirr wurde auch hin und wieder verschenkt. Ein Lehrjunge zeigte in seiner Mu(e)lter [Trog] Arbeitswerkzeug der Hafner. Auch ihr Geschenk an den Fürsten bestand aus nicht mehr als einem „schön possierten” [geformten] Steinbock. (Die deutsche Tracht galt dem Beginn des 17. Jahrhunderts bereits als so historisch, dass die Bezeichnung „alt” gerechtfertigt ist.)
Umso fantasievoller fiel der Aufzug der Zehrgaden Partei aus: Ihre Röcke und ihre Zannihosen waren aus ungebleichtem grobem Rupfen. Über und über hatte man mit Spagat sogenannte Halleiner Teller daran geheftet, das waren Teller aus Holz, die man zuvor in vier Teile zerschlagen hatte und von denen jeweils zwei Stück in rote Brasilfarbe getaucht worden waren. Da die andere Hälfte ungefärbt geblieben war, konnten somit die Landesfarben Weiß und Rot leicht erkannt werden. Die Tellerviertel lagen wie Schuppen übereinander und schlugen bei jeder Bewegung aneinander. Zur Unkenntlichmachung hatten sich die zehn Personen schwarze Bärte umgebunden und die halbaufgeschnittenen Filzhüte tief ins Gesicht gezogen. An den Hüten waren ein Spiegel, drei der oben bezeichneten Brettlein und rote und weiße Hahnenfedern angenäht. (Spiegel sind übrigens in ausgeprägterer Form bei den Masken des Schemenlaufens in Tirol noch heute in Gebrauch.) Ihre Mummschanz behielt, da sie ihm so besonders gefiel, IHFG am längsten in seinem Zimmer: Es war dies ein Lusthäuschen auf vier Säulen, in dem zwei Männlein, mit beweglichen Gliedern, in Zannigewand einander gegenüber standen. Wenn man den Knopf auf dem Dachfirst rieb und hernach anhob, tanzten die beiden „gar artlich” [kunstvoll] und schwangen dabei Hände und Füße so, „wie man gewöllt”.
In einem anderen Jahr waren die Zehrgadner in Metzgerkleidung erschienen und führten einen großen, aus Leinwand gemachten Ochsen an einem Strick. Inwendig steckten zwei Männer, die das Gefährt schoben. Aus dem, salva reverentia [mit Verlaub gesagt], Hintern konnte der Ochse Äpfel, Nüsse und Birnen auswerfen, auch Kopf und Schwanz bewegen.
Die Hoflakeien hatten sich diesmal (1618) als Wilde Männer verkleidet. Herangezogen hatten sie dafür Untersberger Schrötel und Kornähren. (Wilde Leute sind seit 1500 in mitteleuropäischen Umzügen nachweisbar, haben anderswo eine lange Geschichte hinter sich.) In den Händen trugen sie grüne Bäume. Ihre Mummschanz war nicht weniger kunstvoll als die der Zehrgadner: Ein aus Wachs geformter Garten enthielt einen großen Baum, mit Birnen daran. Unter demselben stunden die Salzburger und Hohenemser Wappentiere, nämlich Löwe und Steinbock, die gemeinschaftlich den Baum umfingen. Weiters fand sich hier ein Einkürn [Einhorn] und andere Tierlein, sowie kleine Bäume, an denen allerlei Früchte, sonderlich echte Pomeranzen hingen. (Das Einhorn galt der Christenwelt schon jeher als Symbol für die Keuschheit Mariens, war somit ein überaus passendes Geschenk für einen geistlichen Fürsten.)
Am Mittwoch veranstalteten die Hofherrn ab Mittag eine Schlittenfahrt, die bis in die Vesperzeit währte. Da nur mehr wenig Schnee in den Gassen lag, war es die letzte Partie in diesem Jahr. (Verwendet wurden grundsätzlich auf Kufen gestellte Wagen: die Umzüge konnten somit auch in schneearmen Wintern stattfinden.) Man hatte sich in zwei Parteien geteilt, deren eine sich jeweils auf dem Hofplatz einfand. Die eine Partie war als ungarische Heiducken maskiert und hatte auch die hochadeligen Damen bei sich im Schlitten. Die anderen waren bunt gemischt: ein Schlitten stellte Apollo mit der in einen Baum verwandelten Daphne dar, ein anderer einen Wilden Mann in einer Öde, wieder ein anderer einen Garten. Ein venezianischer Pantalon befand sich auch darunter, die übrigen waren in spanischer Mode oder auf „römische” Art gekleidet.
Für den selben Tag war zudem eine für alle Bürger offene Fechtschule und ein Bewerb im Ringen öffentlich durch Anschlag verkündet worden. Beides sollte auf freiem Platz gehalten werden. Alle Personen, die etwas von der Kunst des Fechtens verstünden oder sich an einem „mannhaften” Ringen teilzunehmen getrauten, hatten sich zuvor im Rathaus anzumelden. Für den Gewinner im so genannten langen Schwert, auch als Schlachtschwert bezeichnet, wurde ein Preis in der Höhe von sechs Dukaten ausgesetzt. Weiters konnte mit langen Spießen, mit Dolch und Rapier [Degen], auch mit eisernem Disack [Säbel] gefochten werden. Da es sich um eine ritterliche Kunst handle, sollten alle verbotenen Stöße, Armbrüche und andere „unredliche Stücke” durch die beiden Schiedsrichter geahndet werden. Der Ablauf des Ringerbewerbes war folgendermaßen geplant: Die Namen aller Teilnehmer wurden auf Zettel vermerkt, diese zusammengewickelt und von einem kleinen Buben paarweise zusammengelost, wobei es gleichgültig blieb, ob nun ein Kleiner auf einen Großen, oder ein Schwacher auf einen Starken traf. Der Zettel desjenigen, der seinen Gegner zu Boden brachte oder warf, wurde aufbehalten, der des Verlierers zerrissen. Auch hiebei waren Arm- und Beinbrüche, sowie Stöße ins Gemächt verboten. Aber auch den Verlierern sollte etwas gereicht werden. Der Siegespreis war gleich hoch wie der der Fechter. Beide Bewerbe fanden auf dem Hofplatz statt.
Ein erster Höhepunkt der Fasnacht war sicherlich das Ringelrennen der in Maske auftretenden Hofherrn am Donnerstag, dem 22. Februar 1618, ab ein Uhr nachmittags. Bei diesem Turnier galt es mit langen Rennstangen (Stecheisen) einen an einem Faden aufgehängten Ring, unter einem Kübel, der voll Wasser war, zu erwischen; jeder Kavalier musste dreimal das Ringlein, ohne Wasser zu vergießen, hinwegführen, um den ausgesetzten Preis, das so genannte Beste, zu gewinnen. An diesem Nachmittag bestand der Preis in einem Trinkgefäß aus vergoldetem Silber in Form einer Schnecke.
Von diesem „ritterlichen” Wettkampf deutlich zu unterscheiden ist das so genannte Kübelstechen, das z.B. die Stallpartei 1616, am letzten Fasnachtstag, veranstaltete. Dazu hatten sich die Teilnehmer ihre weißen Hosen und das gleichfärbige Wams kräftig (mit Heu oder Stroh) ausgestopft. Für den Kampf Mann gegen Mann brachten sie als Bewaffnung große dicke Stangen und hölzerne Schilde mit. Auf dem Kopf trugen sie einen „Helm”, der ein Holzkübel war. Es ritt nun Paar gegen Paar. Sieger war der, der den Gegner vom ungesattelten Pferd warf. Es konnte aber auch passieren, dass beide „das Maß ihrer Länge in dem Sand genommen”. Zum Aufstehen besann man sich wohl eine Weile, um dann einander im Fußkampf die aufhabenden „Kübel über die Köpfe abzustechen”. Die Zuschauer hatten ihre Freude an diesen tölpelhaften Kämpfern, denen ihre Mühe mit einem Trunk aus dem Hofkeller gedankt wurde.
Zuvor waren die Angehörigen der Hofkammer mit der Darstellung der Fabel von Aktäon und der Göttin Diana aufgezogen. (Die Bildende Kunst hatte das Renaissancemotiv vom Jäger Aktäon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts voraus genommen.) Auf einem als Berg gestalteten Schlitten, an dem sechs Pferde zogen, saßen zuvorderst zwei Wilde Männer, die auf ihren Krummhörnern „schreckliche” Töne erzeugten. Eine Grotte in diesem Berg zeigte einen marmorierten Brunnenchor und einen Delphin, der nach drei Seiten Wasser von sich gab. Die nackte Göttin saß daneben, zwei ihrer Nymphen spritzten aus Muscheln ebenfalls Wasser. Der grün gekleidete Jäger Aktäon war bereits mit dem Hirschkopf versehen, er ging nebenher und führte zwei Windhunde. Seine Begleitung stellte eine Jägergemeinschaft dar. Als Mummschanz hatte die Gruppe eine kostbare Weidtasche mitgebracht.
Schon in der Fasnacht 1614 hatte die Hofkammer mit ihrem Aufzug den Zuschauern beste Unterhaltung geboten. Erschienen waren sie gesamt in einer „Liberei” [Bedienstetenkleidung] in den hohenemsischen Farben. Auf einem Schlitten führten sie einen großen Narren mit sich, der, auf einem Haufen Eier sitzend, junge Närrlein ausbrütete. Dieser Narr, in blaue und gelbe Leinwand gekleidet, konnte den Kopf hin und her drehen. Er wurde mit allerlei Spezereien gelabt und ihm mit einer Umbrella [ombrella = Schirm] die Sonne und die Mücken abgewehrt. Voran ritt dem Wagen ein buckelter Doktor auf einem Rösslein, in der Hand führte er gleichfalls einen Sonnenschirm. Der zuletzt vorgefahrene Schlitten brachte bereits ausgebrütete Närrlein, denen ein mitlaufendes Weib aus einer Pfanne Mus in den Mund strich, damit die Jungen „ihres Geschreis schweigen täten”. (Erinnert sei hier an die – vorgebliche – Herkunft des Arlecchino aus einem Ei. Narren säen oder ausbrüten galt und gilt als Beweis der Torheit.)
Die Diener der Silberkammer und der Garderobe gaben sich 1618 als türkische Lakeien aus. Ihr Geschenk an den Fürsten bestand aus einem „indianischen” Korb mit frischen Südfrüchten. Mehr Gelächter haben sie sicher 1614 unter dem Volk erweckt, als sie in roter und gelber Zannikleidung Stockfische bläuten und mit Federn auf die Leute schossen. Mit ihnen zusammen waren damals die Truchsesse auf den Hofplatz gekommen, verkleidet als Müller und Bäcker, in roten Wollhemden, weiße Schürzen umgebunden und mit kleinen schwarzen Hüten auf dem Kopf. Auf ihren beiden Wagen hatten sie auf dem einen eine so genannte Beutelmühle mitgebracht, in welche sie Buben schütteten, die dann neu gemahlen heraus fielen. Auf dem anderen stand ein Backofen, in welchen Männer und Frauen „eingeschossen” [hinein geschoben] und mit Kienruß angeschwärzt wurden, die man, mit einer aufgesetzten Narrenkappe, sozusagen neu gebacken wiederum laufen ließ. (Im Mittelalter schwor man auf die Wirkung des Jungbrunnens, später glaubte man an die Verjüngung in der so genannten Weibermühle. Auch heute noch ist die Altweibermühle ein unverzichtbarer Bestandteil vieler Volksumzüge.)
Besonders unterhaltend erschien dem Chronisten Stainhauser auch der Aufzug des Kellermeisters und seiner Bediensteten (1618): Diese Compagnia hatte auf einen großen Schlitten, vor den zwei Pferde und zwei Esel gespannt waren, ein Gehäuse aufgebaut. Auf einem hohen Sessel saß ein großer Mann mit einem ausgestopften Buckel und einem sehr großen Kopf aus Holz. Auf der Nase hatte er zwei große Brillen und auf dem Kopf ein überdimensioniertes Barett. Vor ihm stand auf einem Tisch ein „Instrument mit Katzen”, die, wann der Mann ins Klavier [Tastatur] griff, „sehr lieblich anfingen zu schreien”. (Es muss nicht ausgeführt werden, dass es sich hier nicht um Katzenmusik im Sinne der weit verbreiteten Art organisierten Lärmbrauchs als öffentliche Missfallensbezeugung handelt.) Bisweilen nahm er ein langes Rohr zur Hand und blies darauf.
Weiter unten im Schlitten saßen Knaben mit kroatischen Hütlein auf dem Kopf. Im Gesicht waren sie mit Sprenkel angemalt, links und rechts vom Mund hatten sie einen langen schwarzen Strich. Wenn sie nun zum Singen ansetzten, schien ihr Mund eine „ungestalte große Goschen” zu sein. Mitten unter den Knaben stand ein Eselchen, dem ein schöner Kragen und Mantel umgelegt worden war. Auch dieses hatte zu singen. Da es sich aber, als es zum Pult geführt, verweigerte, wurde ihm der Schwanz „aufgehebt und ein sehr nützlicher Schilling gegeben”. Vor den Knaben stand eine Tafel, darauf Musiknoten und die Worte: Musica Musicorum [Gipfel der Tonkunst] geschrieben waren. Ein Kantor versuchte der Jugend und zugleich Müllers Esel Singen beizubringen: Es kam dabei aber nur eine so „liebliche” Musik heraus, dass die Zuhörer ihr eigenes Wort „nit mehr hörten”. (Der Esel kennzeichnet den dummen Menschen, seine Ohren gerieten zum Kennzeichen des Narren.)
Auf dem Hofplatz wurde an diesem Tag darüber hinaus eine so genannte Bauernhochzeit gegeben. Die Darsteller hatten sich für diese „Kurzweil” wie Bauer und Bäuerin, ledige Knechte und Dirnen verkleidet. Ein lutherischer Prädikant kopulierte das Brautpaar. Hernach wurde ein Wettkampf im Laufen angestellt. Beim Hochzeitmahl wurde wacker gezecht, die Burschen waren lustig und guter Dinge und fingen an, schon recht betrunken, zu „schrieren [schreien] und zu ju(e)zgen [jauchzen]”. Beim anschließenden Tanz wurden sie sich wegen ihrer „Gredeln” [Mädchen] bald uneins, zogen vom Leder und schlugen „tapfer” aufeinander ein. Doch bald versöhnte man sich auch wieder. Inzwischen hatte sich der Prädikant heimlich mit einem hübschen Dirndl davon gemacht. Er kam aber nicht weit, die Knechte setzten ihm nach, erwischten ihn bald und verdroschen ihn kräftig. (Der Prädikant ist in Bayern noch heute eine im Fasching herumlaufende Maske, die den Mädchen zusetzt und ihnen mit einer Rute auf die Finger schlägt, wenn sie auf Fragen nicht die gehörige Antwort geben.)
Schon 1614 hatte die Kellerpartei auf ihrem Schlitten ein Zechgelage inszeniert, bei dem einer dem anderen aus hölzernen „Eimperln [Eimerchen] eins brachte” [zuprostete]. Vor ihnen saß auf einem Fass ein überaus feister Mann, der eine unsäglich große Sackpfeife bei sich hatte und den die Leute, die darinnen gewesen, „gar artlich” bewegten.
Am Freitag gab es, wie gewohnt, einzig eine Opernaufführung (für Adel und Bürger). Die Unterhaltung am Samstag bestritten allein die fürstlichen Jäger, in Begleitung von ihren Windspielen und Hunden. Ein Berg, von einem Zaun eingefasst, stellte einen Tiergarten dar, in dem allerlei ausgestopfte Tiere zu erblicken waren, wie z.B. die Bälge der jüngst gefangenen beiden Wölfe, die zum Auftakt der Fasnacht den Salzburgern vorgeführt worden waren. Das ganze Gefährt war mit Tannenreisen umsteckt, um einen dichten Wald zu imitieren. In dessen Dickicht verborgen, hörte man „die Leyrerin singen und aufmachen” [aufspielen]. Mitgeführt wurden – in Gehegen – auch lebendige Tiere. Zuvor war der Hofplatz mit Plachen und Netzen „eingefangen” [eingezäunt] worden. In der nun folgenden „lustigen” [lieblichen] Hatz wurden zwei Hasen, zwei Füchse, drei Dachse, ein Hirsch und zwei Stück Rotwild erlegt. Hernach wurden ein großer Bär, „so eine gute Zeit zu Hof erhalten” [gehalten] worden, und ein wilder [= wild gemachter] Ochs an [auf] einander gehetzt: Als der Bär zu unterliegen schien, wurde er durch die Hunde gehetzt und empfing zuletzt von den Jägern etliche „Fäng” [Fangstöße]. Aber auch der Ochs wurde nicht verschont.
Den Küchenjungen und Dürnitzknechten, in Harnisch und mit Sturmhaube, war ein Prügel in die Hand gedrückt, hernach ihnen mit einem Tuch die Augen verbunden worden. Mit Jägerpla(c)hen war auf dem Hofplatz ein Einfang [Einfriedung] hergerichtet worden, in dessen Mitte lebendige Gänse gesetzt wurden. Den Knechten wurde nun befohlen, nach den Tieren zu schlagen. In blinder Weise „zerschmierten” [zerbläuten] sie bei diesem Tun auch einander. Dieses Intermedium erregte bei den Zuschauern ein großes Gelächter. Als die Gänse alle getötet waren, durfte ein jeder Teilnehmer eine mit sich nehmen. (Vom Oberndorfer Wasserstechen ist eine ähnliche, vor noch gar nicht so langer Zeit abgestellte „Unterhaltung” überliefert, die hier „Gänserupfen” oder „- reißen” hieß. In der Schweiz wird noch heute am Martinstag der Brauch des „Gansabhauet” geübt, bei dem mit verbundenen Augen am Hals aufgehängte – heutzutage tote – Gänse mit einem Säbelhieb zu erwischen sind.)
In einem früheren Jahr waren es sechs gewappnete Männer, die in einem engen Platz eingeschlossen, mit verbundenen Augen und einem Stecken in Händen, zum großen Gaudium der Zuschauer drei nacheinander aus einem Berg gelassene Schweine zu erlegen hatten, zugleich aber auch immer wieder einander gegenseitig rundum abdroschen.
Dass gerade derbe Darstellungen beim zuschauenden Volk für Belustigung sorgten, hatten die Edelknaben schon im ersten Fasnachtsaufzug, 1613, eingerechnet, als sie auf einem großen Schlitten, als Studenten gekleidet, die berüchtigte Depositio [ergänze: academica cornuum] vorzeigten. Der Initiationsritus der neu aufgenommenen Studenten, das so genannte Hobeln und Tölpeln, soll heute noch in manchen Anstalten praktiziert werden. Da werden die frischgebackenen Studenten geprügelt, ihnen Haare und Bärte geschoren, sie eingeschlossen oder nachts mit eiskaltem Wasser übergossen, bis sie endlich den älteren Semestern als für die Gemeinschaft „zurecht gehobelt” erscheinen.
Der Fasnachtsonntag, auch Herrnfasnacht genannt, zeigte einzig die „Stürmung und Einnehmung einer Festung”, ein Schauspiel, das jedes Jahr, wegen des hier eingesetzten Aufwands, die Zuseher entzückte. 1613, als diese Unterhaltung zum ersten Mal geboten wurde, fand sie noch in einfacher Form statt: Die Leibtrabanten, die den großen Steinhaufen vor der Residenz erstürmen sollten, wurden von den Verteidigern und deren Weibern mit Steinwürfen zurückgetrieben. In den folgenden Jahren blieb das Szenarium zwar gleich, wurde aber immer opulenter ausgestaltet: Am Vormittag plantierten [errichteten] die Soldaten vom so genannten Hauptschloss [Veste Hohensalzburg] in einem Eck des Hofplatzes eine Festung und statteten diese mit Feuerwerken und vier Stuck auf Rädern aus. Auf den Basteien wurden Fähnchen aus Taft in den hohenemsischen Farben aufgesteckt, auf der vordersten die rote Blutfahne gehisst, in den anderen eine so genannte Sentinella (Wachglöckchen) aufgehängt, mit der die Schildwache jede Viertelstunde ein Zeichen zu geben hatte. Auf dem First des Schlosses stand ein Steinbock, der das Wappen IHFG umfing.
Am Nachmittag zogen die „teutsche Soldaten mit gewehrter Hand”, angeführt von ihrem „Spiel” (Pfeifen und Trommel), in die Festung ein. Sie waren „vermaskert” [verkleidet] mit blauen und gelben Schützenröckeln, teils in „kurzen Wehren”, trugen Sturmhauben und geladene Rohre und hatten weiters bei sich Ronda(r)tschier, einen Feldscherer, den Oberst mit seinem Schildjungen, einen Fendrich [Fähnrich] und einen Caporal [Korporal], sowie mehrere Büchsenmeister. Die Leibtrabanten hatten sich unterdessen als ungarische Heiducken verkleidet. Ihr Oberster kam in einem roten Überwurf (Mantea) und mit einem Turban. In dieser Aufmachung zogen sie aus der Kirchgasse [Sigmund-Haffnergasse] über den Alten Salzmarkt [Churfürstenstraße] auf den Steinhaufen vor dem Hof.
Der Tross unter seinem Weibel marschierte in Zugordnung und führte Stückl auf Rädern, Wagen mit Sturmleitern und Schanzkörbe heran. Die Weiber schlugen Zelte als ihr Lager auf und stellten ihre Bagaglien [Habseligkeiten] unter. Zudem wurde die Pall(i)asetta [Schrankung] gerichtet. Nachdem alles auf dem Hofplatz abgeladen, die Schanzkörbe aufgerichtet und die Geschütze dahinter aufgepflanzt waren, waren die Vorbereitungen zur Belagerung gegeben. Nach gegenseitigem Beschuss mit Raketen, Feuerkolben und mit Feuer eingerichteten Rondartschen [Rundschilde] und nach kurzem Scharmützel begehrten die Belagerer mit einem Brief, durch einen abgesandten Trompeter, die Übergabe. Sie bekamen aber zur Antwort, man wolle seinem Kommandanten nicht meineidig werden, sondern sich mit Leib und Blut wehren: Und schwor sich aufs Neue zusammen. Die Heiducken brachten hierauf ihre Schanzkörbe und drei Feldstückl [kleine Geschütze] in Stellung, um die Festung zu beschießen. Eine neuerliche Aufforderung zur Kapitulation wurde mit der Drohung versehen, dass, sollte diese nicht erfolgen, keiner mit dem Leben davonkäme und man auch das Kind im Mutterleib nicht verschonen werde. Diese Aufforderung wurde ebenfalls abgeschlagen, worauf der Feind vorerst einmal aus jedem Stückl drei Schüsse abgab und, vom Oberst zum Sturmangriff aufgefordert, schrieen alle dreimal: Jesus und fielen gegen den Gegner „auf die Streif” aus. Ein mannlicher [tapferer] Gegenangriff der „ritterlichen” Deutschen machte die Absichten der Feinde zunichte, etliche Heiducken blieben auf dem Platz liegen, einige von ihnen wurden gefangen und in der Festung auf einen Pfahl gesteckt.
Während dieses Kampfes hat man den herumstehenden Zuschauern „einen blinden Nebel gemacht” [vorgetäuscht], als ob zwei feindliche Soldaten hart „beschädigt sein worden”, indem man sie so mit Blut zurichtete, als ob ihnen die Gedärme heraushingen. Eine Herausgabe der Gefangenen gegen Kaution wurde ebenso abgelehnt wie die der Beutestücke: Diese auch dann nicht, als die Heiducken vorbrachten, der Hofplatz sei „eine freie kaiserliche Straße”. Als die Zurückgeschlagenen nun zusammen mit etlichen Schützen auf einer anderen Seite eine Möglichkeit zur Eroberung ausforschen wollten, wurde ihnen aus der Festung mit Feuer speienden Rondartschen, daran „umlaufende Rundeln” [Feuerräder], und mit Pusikanen (Streitkolben), deren jede über 20 Schüsse abgegeben konnte, entgegen getreten. Nach dem Generalsturm des Feindes mit Macht auf die Festung mussten allerdings, da sie alles Feuerwerk verbraucht hatten, die deutschen Soldaten um Bedingungen für einen Abzug verhandeln. Ihr Angebot war, man möge sie mit ihren Fahnen, den Lunten, Sack und Pack, „Kugel im Maul” [mit dem, was einer tragen konnte] abziehen lassen. Der Feind wollte sie jedoch nur ohne Über- und Seitenwehr gehen lassen. Letztlich schlossen die beiden Obersten einen Vergleich und die Heiducken konnten nun in die Festung einziehen. Die Feuerwerker wurden vom Feind gezwungen, um ihren Triumph und ihr Freudenfest zu zieren, ein Kurtinen- oder Mauerfeuer abzulassen. Während dieses Lustfeuerwerks wurden über dreitausend Raketen und Schläge abgefeuert. Das Ganze dauerte vier Stunden und währte bis in die Nacht hinein. Allgemein war man froh, dass das Feuerwerk, obwohl die Raketen weit und hoch geflogen waren, ohne Schaden abgegangen war. Der Fürst ließ dem ganzen Kriegsvolk hernach, um sein Gefallen auszudrücken, einen guten Trunk ausfolgen.
Eingeleitet wurde der Fasnachtmontag im Jahr 1618 von einem „schönen und zugleich lächerlichen” Wettlauf und einem gleich gearteten Fechtkampf. Der Hofkastner und der fe. Fürschneider hatten dafür einige Burschen bestellt und ihnen die selbe Kostümierung verpasst, mit der nicht ganz eine Woche zuvor bereits die Zehrgadner die Zuschauer belustigt hatten. Da die Schranken der für diesen Tag geplanten Quintanarennen der Hofherrn bereits auf dem Hofplatz vorhanden waren, musste auf den Marktplatz ausgewichen werden. Aufgestellt wurden die Teilnehmer in Dreiergruppen, die einen liefen vom Marktbrunnen hinauf zur Hofmauer, die anderen in die umgekehrte Richtung. Schiedsrichter war der Hofkastner, hoch zu Ross und mit einem Spiel von Pfeifen und Trommel zur Seite. Sobald diese „Lärm geschlagen”, begann der Wettlauf. Der jeweilige Gewinner erhielt als Preis einen Apfel, der mit drei Batzen Weißpfennig besteckt war. Die wiederum an die Kleidung gehefteten Brettlein erzeugten während des Laufens ein lautes Klappern, manches Teil sprang dabei von den Kleidern.
Das anschließende Fechten wurde in zwei Abfolgen abgeführt. Vorerst kämpfte jeder gegen jeden über die Schranken hinweg. Als Wehren genommen wurden Fackeln, aus Spänen zusammengebunden, die man zuvor, unten und oben, in rote Brasilfarbe getaucht hatte. So gewaffnet, hatten die Fechter einander die Brettlein von den Kleidern zu schlagen. Einem, der mehr als die Hälfte dieser Holzteile an der Kleidung bewahrt und zugleich den Gegnern „guete Stöße” versetzt hatte, wurde der Siegespreis zuerkannt. Dieser bestand aus einem „Männdl in roten Zannihosen, das auch hin und wieder getanzt”, an dessen Kleidung hundert neuer Zweiermünzen lose angebracht waren. Hernach wurde ein noch größerer Apfel, diesmal mit fünf Batzen Weißpfennig besteckt, als Gewinn „aufgeworfen” [ausgesetzt]. Mit neuen Fackeln versehen, traten die Neun zum neuen Gang gegeneinander an, bisweilen bekamen dabei auch die Zuschauer eins ab. Zum Schluss war der Rennplatz derart mit Trümmern übersät, dass man ihn mit einem Rechen „abheuen” musste.
Das Quintanarennen war in der Barockzeit ein Geschicklichkeitsturnier für Reiter, wobei diese versuchen mussten, mit einer leichten Lanze eine drehbare, auf einen Pfahl (lat. quintana) gesetzte Halbfigur mit einem sauberen Lanzenstoß zu treffen. Diese Figur aus Holz mit einem Schild hatte oft die Gestalt eines türkischen Kriegers. Wurde das Ziel, nämlich das Schild, schlecht getroffen, schwang die Figur herum und versetzte mit dem Kolben in seiner Rechten dem Vorbeisprengenden – zum Vergnügen der Zuschauer – einen Schlag. (Das Ringelrennen wurde später zum bäuerlichen Ringreiten, die einst allein den Rittern vorbehaltene Quintana überlebte im so genannten Rolandspiel.)
Die Salzburger Quintana bestand aus zwei Teilen, den Aufzügen der Teilnehmer und den eigentlichen Wettrennen, den Carriere. Beide Teile wurden von den so genannten Judiziern bewertet. Für beide Bewerbe waren wertvolle Preise ausgesetzt. Allerdings fällt auf, dass die vom Erzbischof gespendeten, sehr wertvollen Praetia sehr häufig von Jacob Hannibal gewonnen wurden. Auch der erste Masgalan oder (Inventions-)Dank [Preis] ging zumeist an den Neffen des Fürsten.
Die Quintana stand grundsätzlich nur Hofherrn und Adel offen. Die Regeln (Satzung) für die Rennen wurden allgemein publiziert. In 17 Bedingungen (Capitulationes), denen sich alle, Mantenedor wie Aventurier, zu unterwerfen hatten, wurden, um in die Bewertung zu kommen, folgende Punkte aufgenommen: Die Teilnehmer, Aventurier genannt, hatten vor dem Rennen in Maske eine Invention (Aufzug) zu veranstalten. Ihr Einzug sollte von der Getreide- oder Judengasse her erfolgen, auf der eingeplankten Rennbahn durften sie nur in Begleitung durch den Rittmeister (Maestro del campo) einreiten. Hernach hätten die Schiedsrichter zu beurteilen, ob ihre Invention sich als für die Veranstaltung repräsentativ genug erweise. Wenn einer etwa als Postillion [Postreiter] auftrete, so sei er zwar zum anschließenden Rennen zuzulassen, ihm aber ein etwaiger Dank nicht auszufolgen. Der Mantenedor, der Veranstalter, war verpflichtet, in beiden Veranstaltungen als erster auf die Bahn zu kommen. Die verwendeten Spieße brachte der Mantenedor mit, legte sie den Schiedsrichtern vor und diese kennzeichneten jede Waffe. Sollte ein Aventurier bei der Carriera trotzdem eine andere Waffe verwenden, war der Ritt ungültig. Jeder Teilnehmer hatte sich dem Veranstalter in drei Rennen zu stellen, sollte der Herausforderer mehr Treffer erzielen, werde ihm der Mantenedor alsbald einen Preis zustellen. Wer allerdings bei einem solchen Ritt den Spieß fallen ließ, die Maske oder sonst einen wichtigen Teil seiner Ausrüstung verlor, dem sollte kein Preis zugehen. Die Carriera hatte auch derjenige verloren, der seinen Spieß zu zeitig senkte, ihn nach dem Stoß nicht mehr richtig zu fassen bekam oder ihn gar verlor. Ebenso erging es dem, der nur von unten her die Quintana traf, schief im Sattel saß oder dem das Zaumzeug aus der Hand fiel. Wenn das Aufeinandertreffen unentschieden ausging, sollte, nach Rücksprache mit den Schiedsrichtern, ein weiterer Ritt das Treffen entscheiden. Ein Pferdewechsel war verboten, außer die Judizier entschieden anders. Erst nach Abgabe der Lanze stand dem Reiter ein Preis zu, da von den Schiedsrichtern, denen grundsätzlich und in allen Punkten die Letztentscheidung zustand, die Gültigkeit der Treffer erst bestätigt werden konnte, wenn die Lanze tatsächlich zu Bruch gegangen war.
Das Cartell gab dem Rennen einen fingierten heroisch-galanten Rahmen. Der Herausforderer hieß Mantenedor (span. Turnierkämpfer), die Ritter, die der Herausforderung folgten, Aventurier (fahrender Ritter). In Salzburg war der Mantenedor immer der Neffe des Erzbischofs, Jakob Hannibal. Mit dem allen zugesandten Cartel, dem Programmheft, gab er den Teilnehmern nicht nur die Turnierabfolge bekannt, sondern stellte zugleich vor, welche Rolle er in seinem Aufzug übernehmen würde. Großsprecherisch gab er sich in diesem Jahr (1618) gar als Alexander Magnus aus, der seine Herkunft nicht vom makedonischen König Philipp, sondern vom Kriegsgott Mars herleitete. Nach alt hergebrachtem Vorbild folgte dieser Ahnentafel gleich die Aufzählung seiner Taten. Um sich von den schweren Kriegsbürden etwas zu erholen, wolle er, der Bezwinger der Welt, zu seiner Erholung ein öffentliches Quintanarennen in dieser weltberühmten Stadt für diesen Tag ausschreiben. Teilnehmen könne jeder adelige Aventurier aus allen Nationen, der sich getraue, gegen ihn anzutreten. Wer solches Unterfangen begehre, solle sich an dem angebenen Tag den Schiedsrichtern präsentieren, hernach zu dem auf dem Turnierplatz aufgestellten Zelt des Mantenedors kommen und dort das an den Planen aufgehängte Schild mit seiner Lanze zum Zeichen der Herausforderung berühren. Für die bevorstehenden Rennen wurden nunmehr auf dem Hofplatz die Schranken, zudem eine Bühne mit Sitzgelegenheiten für das Schiedsgericht errichtet. Die Kavaliere selbst trafen um ein Uhr, in der vorgebenen Reihenfolge, die zugleich auch eine Rangordnung darstellte, vor dem Residenzgebäude ein.
Der Maestro di Campo (Platz-, Bahnmeister), der ein Regiment oder einen Stab führt, eröffnete den Zug. Dieser Ordner führte die Inventionen auf die Bahn. Der Inventionsaufzug diente als Vorspiel des Turniers. Jede Invention stellte ein in sich ruhendes Gebilde dar, kein kompositorischer Gedanke band sie zu einem Ganzen. Der Festablauf wurde mit einer Reihung von Einfällen ausgeschmückt. Es sind dies Wandermotive, die im Europa des 16. Jahrhunderts überall auftauchen.
Auch bei den Inventionen gab es eine feste Reihenfolge der Teilnehmer. Ihnen voraus ging ein Narr, der der Gruppe den Weg „frei” machen sollte, dann folgten die Teilnehmer nach ihrer Rangordnung und Aufgabe. Denn: die „verkehrte Welt” der Fasnachtzeit war keine Welt ohne Ordnung. Eigens dafür festgelegte Regeln bestimmten den Festablauf. Als Vorlage dienten Heldenepik, Minnedichtung, Schwanksammlungen, Mären. Die auftretenden maskierten Teufel, Mohren, alten Weiber u.a. waren den Zuschauern auch aus anderem Kontext bekannt und wurden daher in ihrer Symbolik dementsprechend verstanden. Verspottet wurde das einfache Volk, vor allem das Landvolk.
Es war bereits eine Stunde vergangen, als, gemäß der angekündigten Proklamation, der große Weltenbezwinger, umgeben von einem allegorischen Schwarm von Planeten, Erdteilen und Tugenden, auf den Plan trat. Römisch gekleidete Trompeter kündigten die vier zu Fuß ziehenden Planeten an: Jupiter mit einer Krone auf dem Haupt, einem Zepter in der Hand, Sol, einen blondgelockten Jüngling mit den Darstellungen der drei Grazien, den geflügelten Merkur mit dem Schlangenstab und den schwer gewappneten Mars. Die drei erst genannten Götter sollten den Zuschauern wie nackt erscheinen. Ihnen folgten Verkörperungen der vier Tugenden, Valor, ein in der Rechten einen Lorbeerkranz tragender Mann, und drei mit ihren charakteristischen Symbolen als Victoria, Securitas und Stabilitas gekennzeichnete weibliche Personen. Nach diesem Vortrab lenkte ein von zwei „artlich formierten” Elefanten gezogener, vergoldeter und versilberter Triumphwagen, der an allen vier Seiten mit Löwenköpfen, Trophäen und Kriegsrüstungen bemalt war, die erwünschte Bewunderung auf sich. Vier, von Fama und den vier Erdteilen besetzte Stufen führten zum goldenen Thron empor. Fama lenkte die Elefanten, Europa hielt ein Zepter und einen Rebzweig in Händen, Asia schwang ein Rauchfass, Africa wedelte mit einem Balsamzweig und America war mit Pfeilen und Flitschbogen bewaffnet. Die vier Erdteile waren, ihrer „Landsart nach”, bekleidet, teils auch nackt.
Der unüberwindliche Weltenbezwinger saß in höchster Majestät und Glorie triumphierend zu oberst auf dem goldenen Königsthron. Er war mit einem vergoldeten Harnisch angetan, trug eine überaus kostbare Kaiserkrone auf dem Haupt und hielt Jupiters Blitzstrahlen in den Händen. Um den Leib schlang sich eine Schärpe (Banda). Von dem vergoldeten, mit Silber gesprenkelten Schurz hingen Flammenfransen herunter. Die Füße staken in weißen, mit goldenen Randleisten gezierten Stiefeln. Neben dem „schier wie ein Schiff formierten” Triumphwagen liefen vier Lakeien in römischen Togen mit. Den Nachtrab bildeten acht Tugenden zu Fuß, darunter Fortuna [Glück] mit ihrem Füllhorn (cornucopia), eine grüngewandete Spes [Hoffnung], Desiderium [Sehnsucht], aus deren Herzen eine Feuerflamme loderte, und Terror [Schrecken], ein nacktes Mannsbild mit Löwenhaupt und Dreizack (tridens). Zwischen ihnen führte ein Jüngling den Bukephalos, das bekannte Leibpferd Alexanders. An diesem ersten Aufzug beteiligten sich 55 Personen und 27 Pferde.
In einem zweiten Cartel [Programm] rühmte sich Jacob Hannibal der unbezwingliche, alle Menschen an Stärke übertreffende göttliche Herkules, Sohn des Zeus und der Alkmene, zu sein. Er habe die wildesten Monstren bezwungen, die aller stärksten Riesen und Helden bewältigt, den dreiköpfigen Höllenhund Cerberus angeschmiedet und gekommen. Nun wolle er mit Achelo(i)os, der Sonnen und der Erden Sohn, der sich durch Zauberei in verschiedene Gestalten und Tiere verwandeln könne, den Kampf um die allerhübscheste, „herzgeliebteste” Deian(e)ira aufnehmen. Diese sei ihm zwar zur Gemahlin versprochen, werde ihm aber von Acheloos streitig gemacht. Dieser, auch den hochadeligen Damen zu ehrmäßigem Gefallen angestellte Kampf um die Gunst der übermenschlichen Schönheit sei mit seinem Gegner paktiert.
Der Aufzug des Herkules wurde von einem großen Wilden Mann eröffnet, der auf einem gar großen Horn „erschrecklich” blies. Herkules schwang, mit einer Löwenhaut angetan, auf einem von zwei Wilden Männern an langen grünen Weiden gezogenen, zu einem Berg gestalteten Wagen seine Keule (clava). Als der Wagen auf dem Marktplatz ankam, spie er, zur Eröffnung der Spiele, aus allen vier Ecken ein Feuerwerk von über 100 Schuss aus. Vor der Schiedsrichtertribüne angelangt, sprang Acheloos, nur mit einer grünen Binde umgürtet, unverhofft aus dem sich öffnenden Berg heraus und fing an, mit Herkules um den Besitz der Deianira zu ringen. Von diesem zu Boden geworfen, verschwand er wieder in den Berg, fuhr aber alsbald in Gestalt eines Drachens mit feuriger Zunge wieder heraus. Abermals besiegt, entwich er nochmals in den Berg und rannte, in einen grimmigen Ochsen verwandelt, noch einmal gegen seinen Nebenbuhler an. Dieser riss ihm aber das rechte Horn ab und beraubte ihn dadurch aller Stärke.
Nach diesem dritten Sieg erhob sich aus dem auf dem Gipfel des Berges gelegenen Reichsapfel und dem neben ihm aufgepflanzten Kreuz, zum Zeichen der Freude über den dreifachen Sieg, ein Feuerwerk. Auf einen Keulenschlag des Siegers hin öffnete sich der Berg und enthüllte den ebenfalls mit einem Feuerwerk bestückten Palast des Königs Oeneus, der mit seiner Gemahlin und Deianira in königlichen Kleidern den triumphierenden Helden allerfreundlichst empfing und ihn unter herrlicher Musik auf den für ihn bereitgehaltenen Platz an der Seite seiner Tochter geleitete.
Der dritte Aufzug führte den Salzburgern die um die Liebe der chelidonischen Königstochter Melinda werbenden Zwillingssöhne des Herzogs von Manfredonia, Florardo und Giscardo, vor. Melinda fuhr mit Zepter und Krone auf einem Berg einher, auf dessen Gipfel der sich stets verjüngende Vogel Phönix in einem Feuer saß, das nicht verlöschte. Zu beiden Seiten des Berges gaben zwei Schlangen Wasser von sich.
Im vierten Aufzug ließ die mit Urteil des Paris durch Zuerkennung des Apfels zur Schönheitskönigin der Welt gekürte Venus durch den Götterboten Merkur ihre Ankunft in Salzburg verkünden. Sie wollte ihren Sieg über Juno und Pallas Athene mit Assistenz ihrer Verehrer Paris, Mars und Apollo samt den neun Musen allen Menschen kundbar machen und der Welt zeigen, dass die Schönheit die vollkommenste aller Tugenden und Vortrefflichkeiten sei und die damit begnadeten adeligen Damen auch von den Göttern selbst geehrt werden. Die am Kampf teilnehmenden Götter wollten als Defensoren der Schönheit auftreten.
Merkur eröffnete den Reigen des Götteraufzuges mit in Schaffelle gehüllten und bekränzten Hirten. Auf dem ersten Wagenberg spielten die neun Musen in „wohlgestältigen” [sehr schönen] Kleidern auf allerlei Instrumenten ein welsches Konzert zum Lobe der Venus. Dann ritten Jupiter, Mars und Apollo mit ihren Symbolen zum Kampfplatz. Auf dem Gipfel eines weiteren Berges triumphierte die Liebesgöttin mit dem ihr zuerkannten goldenen Apfel, der die Inschrift trug: „Detur pulcherrimae” [Man überreiche ihn der Schönsten.] Auf einem Absatz des Berges saßen die Himmelsgöttin Juno mit Krone und Pfau und die mit Harnisch, Helm und Speer bewaffnete Athene. Paris lag ihnen in Hirtenkleidern zu Füßen.
Im fünften Aufzug wurde die Sage der Argusaugen den Zuschauern in einem lebenden Bild vorgeführt. Merkur ritt mit dem abgeschlagenen Haupt des Riesen Argus einem Berg voran, auf dem die von einem Mondschein beleuchtete Juno mit einer Krone auf dem Haupt einher fuhr. Ihr zu Füßen lagen der getötete Riese, die in eine Kuh verwandelte Jo, ein Steinbock und ein Pfau, in dessen Schwanz Juno, Ovids Metamorphosen folgend, die Augen des enthaupteten Wächters Argus gesetzt hatte. Ein hochfürstlicher Kämmerer ritt als Fürst gezügelter Liebesgefühle (Prencipe de' moderati affetti) unter dem Namen Artomannus in vergoldeter Rüstung auf die römische Art mit dem üblichen Dienerschwarm hinter dieser Invention in die Schranken.
Den sechsten Aufzug bestritt der Höllenfürst Pluto, der sich in seinem Cartel in italienischer Sprache als Kaiser der verdammten Seelen (Imperatore dell'anime perdute), König des unterweltlichen Klageflusses Kokytos (Rè di Cocìto), Großherzog der Elysischen Gefilde [Unterwelt], Fürst der Styxsümpfe etc. bezeichnete und den Kavalieren von Salzburg Entsetzen, Mord und Totschlag ankündigte, wenn sie es wagen sollten, gegen den von ihm vertretenen Grundsatz, dass Hunger nach Ruhm, nicht Liebestollheit das Herz zu großen Unternehmungen entflamme, aufzutreten. Der von Teufeln bewachte „brennende” Berg öffnete sich unmittelbar vor dem Schiedsgericht und zeigte den auf einem Sessel thronenden Höllenkönig Pluto und den auf einem Fußschemel zur Linken sitzenden römischen Kaiser Marcus Marcellus. Feuerwerk ergoss sich dabei aus den langen Kolben, die die zahlreich begleitenden Teufel trugen, beim Einzug wie beim Abgang des Aufzugs.
(Eine besondere Bedeutung hatte die Kunst der Feuerwerkerei in Nürnberg. Hier wurden die dann später für Deutschland so typischen Feuerwerk-Schlösser erstmals dokumentiert. Einfachere Zeugnisse waren die so genannten Höllen des Schembartlaufs, später hatte man dem Abschluss des Aufzugs der Schembartläufer meist die Gestalt von Burgen gegeben, die mit zahlreichen Feuerwerkskörpern bestückt waren. Stainhauser leitete irrtümlich aus dem Theatrum Marcelli, das Kaiser Augustus nach seinem verstorbenen Schwiegersohn Marcus Marcellus benannte, die Existenz eines gleichnamigen Kaisers ab.)
Im siebten Aufzug zur Quintana erschien die Architectura, der zu Ohren gedrungen war, dass der hochwürdigste Fürst der salzreichen juvaviensischen Provinzen ihr höchster Liebhaber sei. Daher nahm sie sich vor, diesen großen Fürsten einmal in eigner Person zu besuchen und seine stattlichen Gebäu augenscheinlich zu besichtigen. Sie erschien mit ihren in allerhand Ritterspielen erfahrenen Kavalieren Apollodorus und Zenodotus, die bereit waren, für ihre Behauptung, dass sie die älteste, vortrefflichste, schönste und nutzbarste Kunst und Wissenschaft auf der ganzen weiten Welt sei, und dass diese Kunst Fürsten wohl gezieme und ihnen Unsterblichkeit verschaffe, mit der Stärke ihrer Lanzen anzutreten. Den Aufzug der Baukunst führten vier Turner an. Die beiden Kavaliere trugen, um die Zugehörigkeit zu erweisen, Kompass und Quadranten [Winkelmesser] in Händen. Ein Postament, auf Räder gestellt, lenkte der nackte Cupido. Die Begleiter waren Soldaten in Schweizerkleidung. Auf dem Postament stand, bemalt mit den vier Elementen Himmel, Erde, Feuer und Wasser, ein Astrolabium (Weltkugel). Die Architectura selbst war eine Frau in heidnischer Kleidung. Zirkel und Maßstab in ihren Händen dienten ebenso dem Feuerwerk, wie ein Büchsenmeister in Teufelskleidung.
Den letzten Aufzug hatte der Bruder des Weihbischofs Ciurletta, ein jüngst in Dienst gestellter Hauptmann, übernommen. Er hatte sich den Namen eines Cavaliere Fortunato zugelegt. Auf dem mitgeführten Triumphwagen war Cupido scheinbar mit Ketten gebunden und von vier Personen gehalten, trotzdem vermochte er mit seinen Pfeilen, die mit Rosenwasser gefüllt waren, unter die Fenster des Frauenzimmers zu spritzen. An die acht Aufzüge schloss sich, wie gesagt, das Quintanarennen an, an dem 14 Aventurier und der Mantenedor teilnahmen. Sein (programmierter) Ausgang wurde bereits beschrieben.
Der Ausklang der Fasnacht 1618 am Dienstag hatte dann geradezu Volksfestcharakter. Den Beginn machten der Hofkastner und der Kücheninspektor. In Zannihosen gekleidet, zogen sie zu zehnt auf, um den „Faschang oder Schnaggaus” zu Tode zu hetzen. Dieser war zuvor lange Zeit zu Laufen gewesen, heuer hatte man ihn aus Tittmoning bringen lassen. Zu Anfang hielten zwei von dieser Gruppe je einen Buben in Narrenkleid als Leithund [Fährtenhund] und ein anderer Zanni an Hangstricken sechs Buben in Narrenkappen als Hetzhunde [Jagdhund], die eine Weile fürgesucht haben [wie bei der Jagd den Standort des Faschang vorläufig festgestellt haben]. Endlich kam der Faschang, der einen langen Kragen trug, aus einer der Gassen. Ein Mann war in dieses Kostüm geschlüpft. Die Hunde wurden auf ihn gehetzt und die Buben setzten ihm kräftig zu. Sie rissen ihn gar zu Boden, ließen ihn hernach aber wieder auf, bildeten einen Ring um ihn und sangen ihn an, d.h. sie verspotteten ihn mit Rede und Gesang. Alsbald wurde der Faschang zum zweiten Male niedergerissen und „getötet”, sogleich schlüpfte der Mann, der den Faschang dargestellt hatte, aus dem Sack und ließ ihn zurück. Die Buben hatten aber schon ihr nächstes Opfer gefunden: Ein Bauer, der unerlaubter Weise ins „Gejaid” [Jagdgeviert] gekommen war, wurde von ihnen gepritscht [verprügelt].
Zur Belohnung wurden die Buben nun „zur Tafel” geführt, auch Fremde dazu geladen, bis die Tafel voll besetzt war. Ein jeder Gast hatte sich zuvor das Gesicht schminken lassen und einen Kranz, gemacht aus alten Decken, aufsetzen müssen. Die Tafel war zwei Laden lang, sodass vierzig Buben Platz fanden. Das Essen wurde, wie bei der fürstlichen Tafel, mit Trompeten und Pauken angekündigt, allerdings auf Instrumenten, wie die Buben sie gerade zur Hand hatten und so gut bzw. schlecht sie diese spielen konnten. Das Tischtuch war aus Rupfen, einem jeden wurde ein „Halleiner” Teller, d.h. aus Holz, vorgesetzt, auf denen Brot für zwei Pfennig lag, darüber war eine Serviette, aus einer Decke geschnitten, gebreitet. Auch Löffel und Messer waren aus Holz. Auf zwei schönen Leuchtern waren alte Torzen [Wachsfackeln] gesteckt.
Als der Koch angerichtet, sind die Speisen, zugedeckt mit Tüchern, die ebenso aus einer Decke geschnitten, in einer Ordnung aufgetragen worden, wie man von den Truchsessen gewohnt: Der Stäbelmeister [Hofmeister] voran, wurden die Gänge unter dem Spiel von Pfeifen und Trommel um die Tafel herumgetragen und dann nacheinander aufgesetzt. Darunter waren solch „schöne” Speisen wie ein Bär, ein Pfau, zwei Bisamenten, deren Fleisch bekannt tranig, ein Schwan, ein Aasgeier und ein Rabe, alle aus Lehm gemacht und mit echten Federn besteckt. Aus gleichem Material bestanden auch die vorgesetzten Pasteten und Torten. Die echten Speisen, die verzehrbar gewesen, hat man zum Abwechseln und Einspicken [Untermengen] benutzt. Der Koch hatte sie auf verschiedenen irdenen Schüsseln anrichten lassen. Es war dies aber nichts Schmackhafteres als ein gelber dicker Brein [Hirsebrei], schwarzer Pfeffer, zwei Dutzend Bratwürste, zwei echte Braten, zweierlei Gebackenes (Striezel und breite [große] Faschingskrapfen). Die Fürschneider benutzten für ihre Tafeldienste ein großmächtiges Messer und Pi(e)ron [Gabel] aus Holz und eine [Kerzen-] Putzschere. Als Nachspeise reichte man in Schalen den Buben Äpfel, Nüsse und Käse.
Während der Mahlzeit war in bemalten Holzkrügen und Bechern reichlich Wein ausgeschenkt worden, da wurden die meisten schnell betrunken und recht lustig. So musste die Tafel, nach einem Rundtrunk auf die Gesundheit aller Narren, bald aufgehoben werden. Allen wurde zur Reinigung der Hände wiederum Wasser in einem Becken gereicht, das eigentlich ein großes Luck [Deckel] von einem alten Korb, und ein Handzwe(i)hel [Handtuch], das ein langer Strich [Streifen] von einer Fastendecke war. Die ganze Mahlzeit hindurch gab es gesungene und gespielte Tafelmusik der Art, dass einer schier sein eigenes Wort nicht mehr hörte. Hernach setzten sich die Aufwarter und Truchsesse zu Tisch, soffen den Wein aus, begannen zu singen und alsdann das Geschirr zu zerwerfen oder auf dem Tisch zu zerschlagen. Insgesamt waren für dieses Bankett 27 Viertel [d.s. mehr als 42 Liter] Wein aufgegangen. (Da das Trinkgeschirr bei Gelagen häufig zu Bruch ging, stellten die zeitgenössischen Hofordnungen dieses Tun wiederholt unter Strafandrohung.)
(Die tollen Tage enden auch heute noch am Dienstagabend mit einem Kehraus und zu dessen Ende gehören die Beerdigung der sie personifizierenden Figur in Form des so genannten Faschingbegrabens. Frühlingsbräuche ließen den Winter zum „Tod” werden. In einigen Gegenden Deutschlands schloss an das Winterverbrennen oder Totenfangen ein Fangspiel der Jugendlichen an, nämlich, als ob der Tod sie selbst verfolge. Mancherorts schlüpfte ein Jugendlicher in die Rolle des Schwarzen Mannes. Ähnlich lief das Winteraustreiben ab: Ein durch Los bestimmtes Kind wurde von allen andern mit Schlägen von grünen Zweigen, den Segen spendenden Lebensruten, aus dem Dorf gejagt. In Schlesien wurde der „Tod” ertränkt. In der Erzählung „Mutter” von K. Bacher ist „Schnockaus” eine Umschreibung für den Tod. Anderswo übernehmen um Pfingsten der Schnock, der Wilde Mann, der Maimann, der Lettich- und Graskönig oder der schwäbische Pfingstbutz die Rolle von Symbolfiguren, mit denen die Lebenskräfte des Frühlings beschworen werden.
Wie bei Kehr-aus oder Schnur-aus (Bezeichnung für ein Schmalzgebäck, das beim Almabtrieb verteilt wird) verweist dieser zweite Teil des Wortes „Schnack-aus” auf Höhepunkt und Ende einer Veranstaltung / eines Festes. Nach Johann Andreas Schmellers Bayerischem Wörterbuch bezeichnet Schnack a) eine lange, hagere Person; b) einen lustigen Einfall. Und für manch einen unter den Laufner Schiffern, personifizierten Schnackenreißern, die, vor allem wenn sie freigehalten wurden, gerne mit Späßen der allgemeinen Belustigung dienten, gab es diesen Namen. Von Anton Berger, genannt der Hessi Schnack, einem Dialektdichter im 19. Jahrhundert, stamen z.B. viele Vierzeiler.)
Als dritte Invention erschienen die Bediensteten des Hofkellers mit einem Halbschlitten [Ziehschlitten], der von vier Pferden gezogen wurde. Darauf gestellt war eine Kohlengretze [Tragkorb], in der ein großes gefatschtes Kind lag. Bedeckt war es mit einem grünen Tuch und über seinem „kleinen Köpfel” war ein Bogen errichtet. Neben ihm postiert waren zwei alte Unholde, eine saß oben beim Kopf, die andere zu seinen Füßen. Sie hatten eine sehr große Pfanne mit Koch oder Mus bei sich, dazu ein kleines Schepperl und Kindsdutten [Schnuller], und hielten ungefähr 14 Viertel in Händen. Als es nun an der Zeit war, da das Kind nicht mehr still sein wollte, wurde ihm, „der Gebühr nach”, das Koch wie auch das Trinken „mitgeteilt” [verabreicht]. Die begleitenden Instrumentalisten, ein Schalmeier und ein Sackpfeifer, „pfiffen” dazu das (weihnachtliche) Kindlwiegen („Josef, lieber Josef mein”).
(Unholdinnen wurden im 17. Jahrhundert mit Hexen und Zauberern in einem Atemzug genannt und ihnen an anderen Bischofsitzen der Prozess gemacht. Man sieht an diesem Beispiel, dass Marcus Sitticus zwar streng katholisch, aber ebenso aufgeklärt war, wie der entschiedene Gegner des Hexenwahns Friedrich Spee, Angehöriger des Jesuitenordens. Noch heute gilt auf dem Oktoberfest, dass eine gute Bedienung 14 „Maß Bier” zu bewältigen habe. Das Vorsetzen eines Kindskochs als Spottbrauch war bei den Laufner Schiffern noch bis ins 19. Jahrhundert in Übung.)
An der Kraxen hing zudem ein Rad, auf dem ein ausgestopfter Bauernknecht und eine Dirn standen, die sich mit den Armen am Hals umfingen. Das Rad ist zugleich „alleweil umgegangen” [drehte sich immer]. (Das „Schleifen” = Drehen eines Paares auf dem Rad war im fastnachtlichen Volksbrauch weit verbreitet. Bald ist es ein Puppenpaar, bald ein wirkliches Paar. Die paarige Bestückung des Rades wird weithin „Hansl und Gretl” genannt.)
Vor allem die Buckelkraxe diente als Transportmittel, auch über weite Strecken. Die Berchtesgadner, die im Fasnachtsumzug 1615 mit Stecken in Händen und allerlei „Holzwerk” von der Kellerpartei dargestellt wurden, trugen ihre Waren, das waren vor allem in der Winterzeit gefertigte Spielwaren aus Holz, bis auf die Märkte in Nürnberg und auch noch darüber hinaus.
Die hernach aufziehenden Edelknaben hatten ihre gewöhnlich spanische Kleidung mit Stroh verbrämt. Zum ersten Mal beteiligten sich die Bediensteten des Bischofs von Chiemsee. Die in Kutschen vorfahrenden Personen stellten die menschlichen Sinne dar, womit sie die „andächtigen Fürstellungen der fünf Sinne des Menschen”, die in der Fastenzeit des nächsten Jahres die Bruderschaft zu Mülln auf einem Theatrum [Bühne] neben dem Hochaltar „actionsweise exhibierte”, in etwa vorwegnahmen.
Die Stallpartei verwendete 1618 wieder einmal für ihren Aufzug einen Schiffaufbau als Podium für ihre Darstellung. (Bewährt als Plattform für fasnachtliche Aktivitäten hatte sich eine auf Räder oder Kufen gestellte Schiffsimitation, die am Ende der Veranstaltung regelmäßig in Flammen aufging, bereits beim Nürnberger Schembartlauf. Zuvor hatte schon 1494 Sebastian Brant das Schiff zum Sammelort aller Narren dieser Welt erwählt. Und das Narrenschiff fehlt bis heute in kaum einem Faschingsumzug.)
Und wiederum teilten sich die Darsteller in zwei (gegnerische) Parteien: Die in Grün gekleideten Bewohner einfacher Strohhütten versuchten unaufmerksamen Piraten, für die Zuschauer leicht als solche in ihrer schwarzen und weißen Galeotenkleidung zu identifizieren, deren Raubgut, bestehend aus Ballen und Fässern, Fisch und anderen Fastenspeisen [Speisen ohne Fleisch, auch ohne Butter und Eier], abzunehmen. Dazu huschten sie aus ihren Hüttchen hervor, plünderten unbemerkt das Schiff und begaben sich leise in ihre Behausungen zurück, wo sie lustiger Dinge zu essen und zu trinken begannen. Lange konnten sie sich des Raubes nicht erfreuen, denn so unbemerkt waren sie nicht geblieben. Die Piraten holten sich ihre Beute zurück und nahmen dabei einige als Gefangene mit. Doch damit war der Überfälle nicht Genüge getan: Die Gefangenen wurden von ihren Gesellen nicht nur befreit, sondern schlugen sogar die Räuber in die Flucht. Dann zogen sie selbst mit Hab und Gut in das Schiff, zündeten es schließlich an und fuhren unter großem Triumph wieder vom Platz.
So gestaltete Überfälle hatte es auch in früheren Jahren gegeben: Zum Abschluss der Fasnacht 1615 hatte die Stallpartei z.B. einen Überfall auf ein Zigeunerlager inszeniert. Ein Teil von ihnen hatte sich dafür als Zigeuner samt Weibern und Kindern mit Hilfe von Leinwand in allerlei Farben verkleidet. Unter dem Klang ihrer Musik zogen sie vor den Hof und schlugen, ihrer Gewohnheit nach, das Lager auf, kochten über offenem Feuer, aßen und tranken hernach und „erlustigten” sich mit Tanzen und Springen. Der andere Teil der Stallpartei kam als Soldaten, teils beritten, teils zu Fuß, und nahm die unvorsichtigen Zigeuner gefangen, was bei den Zusehern ein großes Gelächter auslöste. Die Opferrolle bei Auseinandersetzungen wurde neben Exoten und Zigeunern auch den Juden zugeteilt. Bei solchen Auftritten hatten sie, anscheinend um ihr Hauswesen zu verunglimpfen, auf den Schlitten allerlei Hausrat und Schackierungen [Durcheinander] aufgebaut, bekleidet waren sie mit den gewöhnlichen langen schwarzen Röcken, gelben Baretten und Strümpfen in derselben Farbe.
Die Hofmusiker – Vokalisten wie Instrumentalisten – und die Hoftrompeter hatten sich an jeder Fasnacht beteiligt, immer aufgeteilt, als Begleitung anderer Gruppen und in eigenen Darstellungen. 1615 zogen sie mit Pfeifen, Flöten und Fagotten, mit Zinken und Posaunen, mit Geigen und anderem Saitenspiel auf; die Trompeter in Weiß, die übrigen in Schwarz, mit langen Nasen „auf die welsche Manier”. Zugleich hatten sie Knaben in ihrem Schlitten sitzen, samt ihren Eltern, die, sobald die Kinder ein Geschrei erhoben, ihnen aus einer großen Pfanne Brein verabreichten. Einige liefen nebenher, die, mit Kochlöffel und Teller ausgerüstet, immer wieder den Zuschauern solchen Hirsebrei „einstrichen”, d.h. sie damit im Gesicht anschmierten.
Der Einsatz eines Berges als Ort szenischen Agierens auf offener Straße war, gleich dem Schiff, bei solchen Veranstaltungen bereits vielfach erprobt worden. Besonders sinnig war, dass die Musiker in diesem Jahr den Parnass, der Apollo und den Musen heilig, als Aufbau ihres Schlittens gewählt hatten. Voran schritten das Paar Pallas Athene mit der Flöte und Orpheus, der mit seinem Spiel der griechischen Sage nach Tiere und Pflanzen zu verzaubern verstand, ja der bisweilen den Alten als Erfinder der Musik galt. Die ihnen folgenden antiken Philosophen hatten Lorbeerkränze auf dem Kopf, trugen einen langen Bart und waren mit weißen Togen bekleidet. Die neun Musen, schön wie Göttinnen, musizierten und sangen. Zuoberst des Berges wurde Pegasus von den bekannten Wappentieren Steinbock und Löwe flankiert. Zuletzt kamen bekannte Figuren aus der Commedia dell'arte, ein Pantalon, ein nepolitanischer Coviello und ein Zanni, in einer Kutsche. Sie gaben in welscher Sprache „auf ihre Art” eine kurzweilige Posse. Die Kutsche begleitete außerdem ein Buffon (Schalksnarr). Schon 1616 hatten die Hofmusiker, die zu einem großen Teil aus Italien geholt worden waren, schwarze Schembart- und Zannikleider angehabt. Ihr Kapellmeister, als Pantalon verkleidet, leitete unterwegs und vornehmlich auf dem Hofplatz das Musizieren der in drei Chöre geteilten Kapelle.
Die Leibgarde führte in diesem Jahr (1618) ein besonderes Kampfspiel vor, eine Art Gruppenverfolgungsjagd im Kreis: das Karussellrennen. Selbstverständlich hatten sie dazu wieder zwei Fraktionen zu bilden und genauso selbstverständlich gaben den Gegner wieder Türken ab, allein ihr Widerpart waren diesmal nicht Deutsche, sondern Heiden, deren Anführer allerdings die bekannten beiden Wappentiere auf seinem Schilde führte. Der türkische Bassa, im roten Rock und mit weißem Turban, hatte einen Pusigan [(türkischen) Streitkolben], sozusagen als Regimentsstab, in der Hand. Die mitgebrachte Fahne zeigte Sterne und den „Mondschein” (Halbmond).
Das Scheingefecht lief folgender Maßen ab: Beide Parteien bewarfen sich abwechselnd mit großen Kugeln aus Lehm, auf der Flucht vor der angreifenden Partei wurde der Schild, um die Kugeln abzufangen, auf den Rücken geworfen. Auf diese Weise jagte die eine Partei hinter der gegnerischen, um sofort hernach wieder die Flucht zu ergreifen. Zuletzt verließen – selbstverständlich – die Türken als völlig Geschlagene fluchtartig den Kampfplatz. Hernach standen sich beide Parteien noch einmal in einer Auseinandersetzung gegenüber, die aber aus nicht mehr bestand als einer schwachen Abkupferung dessen, was den Zuschauern als „Stürmung einer Festung” bereits am Fasnachtsonntag geboten worden.
Salzburgs berühmter Baumeister Santin Solari und die ihm beigeordnete Künstlerschar nahm sich als Thema das bereits fertig gestellte Lustschloss Hellbrunn, dessen „wohlgezierten” Garten samt dem darin gelegenen Berg. Alles, von den Künstlern selbst kunstvoll gefertigt, war auf einen sechsspännigen Wagen gestellt. Auf dem untersten Scalino [Stufe] hatten die Bildhauer ringsum „künstliche Personen” (Statuen) aufgestellt, welche die drei Zweige der Bildenden Kunst symbolisierten. Es waren dies Architektur, Bildhauerei und Malerei. Aber auch Teile des Parks hatten sie geformt, wie das Vogelhaus, einen Fischweiher u.a. Im Wald waren Tierlein versteckt. Zink, Tromba und Flöte überhöhten diese Idylle. Als Präsent erhielt der Fürst einen kunstvoll gearbeiteten Berg, auf dessen Gipfel ein Steinbock stand. Aus dessen Maul und zwei daneben stehenden Blumen quoll Rosenwasser.
Zum Abschluss der Fasnacht im Jahr 1618 wiederholten die Laufener ihren Schwerttanz vom Sonntag.
(Ihr) Hochfürstlichen Gnaden
lateinisch
Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde
Nachdruck
Verwendete Literatur
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